Altmarkt
Geschichte unter dem Altmarktpflaster

In unserer malerischen Kleinstadt Bischofswerda führt das Landesamt für Archäologie im Vorfeld einer groß angelegten Neugestaltung des Altmarktes im Jahr 2005 archäologische Ausgrabungen durch. Diese Grabungen lassen grundlegende neue Erkenntnisse zur früheren Geschichte unserer Stadt erwarten. Bei ersten Probegrabungen im Jahr 2004 wurden Teile des sehr gut erhaltenen Fundaments des ehemals zentral auf dem Marktplatz errichteten Rathaus entdeckt.
Die Stadt wurde Ende des 12. Jahrhunderts im Herrschaftsbereich der Meißener Bischöfe an einer bedeutenden Handelsstraße gegründet, die von Dresden kommend durch die Oberlausitz nach Görlitz bzw. Breslau in Schlesien führte. Verheerende Brände zerstörten weitgehend alle älteren Archivalien. Bis auf wenige Häuser wurde die Stadt letztmalig am 12. Mai 1813 unter napoleonischer Besetzung ein Raub der Flammen.
Im Zentrum des Marktes erhob sich bis zu seinem systematischen Abbruch im Jahre 1763 ein stattliches Renaissance-Rathaus. Zeitgenössische Chroniken berichten von aufwändigen Fassadenmalereien mit Planetengöttern an von goldenen Kugeln bekrönten Giebeln. Ein Dachreiter Trug die Uhr mit einer Stundenglocke. Heutzutage liegen die Grundmauern circa einen halben Meter unter dem Pflaster.
Der komplett freigelegte Rathausgrundriss beeindruckt durch seine Dimensionen von 35,70 m x 16,50 m bei Mauerstärken von 2,00 m bis 2,60 m. Zwei mehrfach umgebaute Keller wurden zuletzt zur Bierlagerung verwendet. Das Bild oben links zeigt einen der freigelegten Keller. Zu erkennen sind noch im linken Bereich die Anläufe des ehemaligen Tonnengewölbes des Kellers. Nach Aufgabe des Gebäudes wurden die Gewölbe mit Bauschutt und Hausratsabfall verfüllt, der spannende Aussagen zu den Konsumgewohnheiten der zweiten Hälfte des 18. und des frühen 19. Jahrhunderts gestattet. Den größten Anteil im Fundmaterial nehmen Kochtöpfe und Pfannen aus regionaler Produktion mit brauner Lehmengobe ein. Den gehobenen Bedarf deckten fein bemalte Meißner Porzellane wie z. B. eine Walzentasse mit Rosendarstellung, Teller und Kännchen aus der Produktionsphase unter dem Grafen Camillo Marcolini (1774-1814). Platten, Teller und Milchkännchen wurden aus der Königlich Sächsischen Steingutfabrik Hubertusburg (1776-1835) bezogen. Eine Vielzahl von Steinzeugflaschen indizieren eine Mineralwasserversorgung aus Nordböhmen, insbesondere aus Marienbad (Mariánské Lázn?).
Auf der unbefestigten Platzoberfläche im Umfeld des Rathauses erhielten sich im Sediment Wagenspuren und Schuhabdrücke. In den nächsten Wochen werden Aufschlüsse zum hochmittelalterlichen Kern des Gebäudes erwartet.
Neugestaltung des Altmarktes 2006/2007
Die Vorgeschichte
Nach dem letzten Stadtbrand 1813 wurde die Stadt auf ihrem mittelalterlichen Stadtgrundriss wieder aufgebaut. In der Altstadt ist die historische Maßstäblichkeit bis heute erhalten. Jedoch hat der Altmarkt an Bedeutung verloren und ist durch den Durchgangsverkehr und den ruhenden Verkehr geprägt. Dieser städtebauliche Missstand der heutigen Freiflächennutzung des Altmarktes und die dadurch gestörte Funktionalität auch für den Fußgänger muss überwunden werden. Der Altmarkt soll zu einer öffentlichen innerstädtischen Frei- und Verkehrsfläche umgestaltet werden, wobei die unverwechselbaren Merkmale des Platzes und die städtebauliche Situation dazu genutzt werden sollen, eine fußgängerfreundliche Gestaltung zu erreichen, die den Platz auch erlebbar macht.
Für die Neugestaltung des Altmarktes berief die Stadt Bischofswerda einen Planerworkshop ein. Ziel dieses Workshops war es, alternative Vorschläge zur künftigen Gestaltung und Aufwertung des Platzes zu erhalten. In die Betrachtung einzubeziehen war auch die künftig vorgesehene Umgestaltung des Neumarktes. Dabei sollen beide Plätze entsprechend ihrer jeweiligen Funktion und städtebaulichen Einbindung wiederbelebt werden. Insbesondere die Altmarktumgestaltung soll zu erhöhter Aufenthaltsqualität und längerer Verweildauer in der Innenstadt beitragen.
Von den während des Planerworkshops eingereichten Gestaltungsvorschlägen kristallisierten sich drei für eine abschließende, öffentlich geführte Diskussion heraus. Nach zahlreichen Gesprächen, der Berücksichtigung von Meinungen und Anregungen der Bischofswerdaer Einwohner, Diskussionen in Gremien und Vereinen und Abstimmungen mit den Denkmalsschutzbehörden entschied sich der Stadtrat im November 2005 dafür, das Konzept des Büros Bauplanung Bautzen GmbH weiterzuverfolgen. In der Sitzung des Stadtrates im November wurde der Planungsauftrag beschlossen. Im Einzelnen beinhaltet der Vorschlag der Bauplanung Bautzen GmbH Folgendes:
Die Historie
Um 600 | Besiedlung des von Sümpfen und Teichen umgebenen Hügels „Werda” (Flussinsel) durch Sorben |
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1066-1107 | Errichtung einer Kirche durch Bischof Benno und Ausbau des Ortes zu einer Stadt |
1227 | Erste urkundliche Erwähnung von Bischofswerda |
1286 | Regelmäßiges Markttreiben: „Brodbänke”, Waren werden auf Schieböcken (Schubkarren ohne Kasten) zum Markt gebracht |
1286 | Vollendung des ersten Rathauses im gotischen Stil mitten auf dem Marktplatz |
1406 | Verleihung des Marktrechtes durch den böhmischen König Wenzel, Einführung des Trinitatismarktes |
1549 | Bau eines neuen Rathauses an der Nordwestseite des Marktplatzes |
Um 1596 | Gasthof „Goldene Sonne” besteht |
1632 | Nutzung der heutigen Stadtapotheke als Stadtlazarett |
1763 | Abbruch des ersten Rathauses |
1813 | Vergrößerung des Rathauses nach dem großen Stadtbrand |
1859 | Einführung des Viehmarktes |
1914 | Einweihung des Paradiesbrunnens |
1966 | Fällung der Linden im Kreuzungsbereich |
1978 | Altmarkt wird Denkmalschutzgebiet als Beispiel mittelalterlicher Stadtanlagen |
Die Funktion
Das funktionelle Ziel besteht in folgenden Punkten:
- Voraussetzungen zu schaffen, dass alle den Platz finden, der ihren Nutzungsanforderungen entspricht.
- Gestaltung des Marktplatzes als Identifikationspunkt für die Bischofswerdaer.
- Umgestaltung des Marktplatzes als Erkennungsmerkmal für die Besucher.
- Schaffung eines städtischen Raumes mit multifunktionaler Nutzung, der zur Bühne wird, Sehen, Gesehen werden, und der zum Verweilen, Bummeln und Einkaufen einlädt.
- Gewährleistung optimaler Bedingungen für Handel und Gewerbe auf und an dem Marktplatz.
- Schaffung optimaler Nutzungsbedingungen als öffentlicher Veranstaltungsplatz.
- Neugestaltung unter dem Aspekt der Multifunktionalität und der hohen Variabilität der Nutzung.
Entsprechend diesen funktionellen Anforderungen wird die verkehrliche Nutzung des Marktplatzes auf den Zielverkehr und die dafür notwendigen Parkflächen begrenzt. Der gesamte Marktplatz und die angrenzende Große Töpfergasse bis zum Neumarkt werden als verkehrsberuhigte Zone eingerichtet.
Mit der grundrisshaften Wiederherstellung des alten Rathauses entsteht um die neue Höhendominante, den Mediaturm, eine Szenenfläche, die permanent für Ausstellungen, Präsentationen, Straßenkunst usw. genutzt werden kann, aber auch als Treffpunkt einlädt.
Peripher dazu laden kindgerecht gestaltete Wasserspiele die Kinder zum Spielen und Verweilen ein. Zur gastronomischen Betreuung werden die vorhandenen Restaurants, Cafés und Bierstuben bewusst gefördert und durch die Schaffung optimaler Voraussetzungen zur Einrichtung von Außenangeboten (Biergärten, Straßencafés u. ä.) entwickelt. Im südwestlichen Teil des Platzes werden optimale Voraussetzungen für den Wochenmarkt und Festveranstaltungen geschaffen. Als äußeres Zeichen des Wochenmarktes und seiner Tradition wird in diesem Bereich ein Schiebock mit einer Marktfrau als Skulptur und historisches Identifikationsmittel für die Bischofswerdaer aufgestellt. Die vorhandenen Bäume im südöstlichen Bereich des Marktes werden bewusst ergänzt, so dass hier ein Grünbereich geschaffen wird, der zum Aufenthalt und Verweilen, zum Sitzen und Beobachten unter Bäumen einlädt. Die restliche Begrünung mit kleinkronigen Bäumen orientiert sich an der historischen Situation.

Die Gestaltungsidee
Der gestalterische Grundsatz besteht darin, auf dem Marktplatz und dem Treffpunkt der sich kreuzenden Straßenachsen einen neuen urbanen Mittelpunkt als zentrale Kommunikations- und Identifikationsfläche der Stadt und ihrer Bürger zu schaffen. Architektonisch wirksam dokumentiert wird dieses neue Zentrum durch die skulpturhafte Silhouette des ehemaligen Rathausturmes.
Diese weithin sichtbare Dokumentation des Herzens von Bischofswerda zielt intensiv auf Beziehungen zwischen Alt und Neu, zwischen Gestern und Morgen, Tradition und Innovation.
Die bauliche Gliederung des Marktplatzes folgt streng und sparsam den funktionellen Anforderungen, die sich aus der Aufgabenstellung für die Nutzung des Platzes ergeben. Der zentrale Platz wird in seiner Gesamtheit zur Szenenfläche, zur Bühne, zum Kunstobjekt, das multifunktional nutzbar ist und sich ständig anders präsentiert, ein Ort der Beständigkeit und Veränderung, ein Ort der Ruhe und Bewegung, ein Ort mit hohem Erlebniswert, ein Ort der verbindet, unterhält, animiert und einlädt. Die Marktfassaden werden zur Kulisse für diese Bühne, für diese Schauspiel. Dabei werden bewusst historische Elemente (altes Rathaus, Pferdetränken, Paradiesbrunnen, Schiebock) in die Marktgestaltung einbezogen.
Das Zentrum
Altes Rathaus - Mediaturm
Der Entwurf basiert auf der Auseinandersetzung mit den Faktoren Zeit und Veränderung. Das Ineinandergreifen von Landschaftsarchitektur und Kunst ist Absicht und Ziel des Projektes. Im Schnittpunkt der Straßenachsen wird zentral ein höhendominierendes Stahlskelett als Kunstobjekt und Mediaturm errichtet. Er dienst als Reminiszenz an den Rathausturm des ersten im Jahre 1286 errichteten Rathauses, ohne dessen äußeres Erscheinungsbild historisierend aufzunehmen. Die skeletthafte Skulptur wirkt dabei mit seiner offenen Erscheinung als neues Zentrum fokussierend und verbindend, niemals trennend. Vorhandene Blickachsen bleiben erhalten und werden neu akzentuiert.
Das Stahlskelett besitzt im oberen Teil einen Medienblock mit LED-Elementen, der weithin sichtbar als eigenständiges Kunstobjekt Symbole, Kunst, Video-, Audio- und Schriftinformationen transportieren kann, wie z. B. Stadtwappen, Stadtinformationen, Werbung Kunstobjekte, Bilder, Videofilme, Liebesgrüße per SMS und MMS, Stadtansichten, Stadtgesichter usw.
Der Mediaturm ist im Herzen der Stadt ein interaktives, modernes Kommunikationsmittel, das durch seine skulpturhafte Erscheinung als Kunstobjekt zugleich Identifikationspunkt für die Bischofswerdaer, Treffpunkt, Wiedererkennungsmerkmal für die Gäste und Informationspunkt sein wird. Sein äußeres Erscheinungsbild ändert sich permanent, wodurch er dem Marktplatz ständig ein neues Gesicht gibt und auf diese Weise bereichert und anzieht. Der Mediaturm wird zum Blickfang und Zielpunkt für die Bischofswerdaer und ihre Gäste. Selbst bei Nichtnutzung der LED-Elemente (z. B. in der Nacht) wirkt der Mediaturm mit seiner Stahlskulptur und einer entsprechenden Effektbeleuchtung bereichernd für den Platz.
